17.5.2023

Daniel Osterwalder

Ältestenschaft zwischen Vorsorge, Fürsorge – war´s das?

Ältestenschaft und Commoning - gibt es da eine Verbindung

Über den Umweg von Vorsorge und Fürsorge will ich zum Nachdenken anregen, ob es eine Verbindung zwischen neuen ökonomischen Modellen (inhärent in u.a. dem Commoning) und neuen Ideen zu Ältestenschaft gibt. Hier in raschen Zügen nur skizziert.

Auf Linkedin ist das Alter, istÄlterwerden fast schon brandaktuell, wenn wir die Anzahl Postings von Versicherern betrachten, die jüngst zu Vorsorge publiziert wurden und noch werden. Ein wenig entsteht dabei der Eindruck, als bestünde das Älterwerden daraus, vorzusorgen. Je früher desto besser und – fast wie beim ökologischen Fussabruck– ist jeder ganz persönlich dafür verantwortlich, dass es einzahlt. Und doch: Wie auch im Leben selbst kann und darf sich nicht alles nur um Penunzen und Vorsorge drehen. Da war doch noch was anderes.

Ältestenschaft – ein Common?

Vor einigen Jahren begann ich mich vermehrt mit Commons und Commoning zu beschäftigen und realisierte, dass das recht eigentlich dem «Gemeinen Nutzen» entsprach, wie wir es im Studium der Geschichte der Frühen Neuzeit (1500 – 1800) lernten. Wobei gemein nicht mit hinterhältig gleichgesetzt wird, sondern mit «sich vertraut machen» und dem, was in einer Gemeine sprich Gemeinde passiert. Also Wald, Wiese, Fluss und ähnliches zahlte zu diesem «Gemeinen Nutzen» ein und diente der Gemeinde zu dienen. Der Unwille über Privilegien mündete dann – mit Rekurs auf den «Gemeinen Nutzen», also das Gemeinwohl in den bekannten Bauernkrieg von 1524 – 1526. Commons entsprechen diesem «Gemeinen Nutzen».

Ich versuche es mal mit einer (ausgeliehenen) Definition: Commons befriedigen grundlegende Bedürfnisse eines Verbunds von Menschen (erweitert: von Naturwesen) und produzieren Verbundenheit. Sie sind so alt wie die Menschheit und gleichzeitig so modern wie neueste Computertechnologien. Sie sind überall auf dem Globus präsent, und doch kennen sie nur wenige (aus „Frei, fair und lebendig“).

Mit dieser Definition könnten wir schon mal gehen. Inwiefern könnten Älteste so etwas wie «Commons» sein?

Älteste sind tatsächlich so alt wie die Menschheit, nur leider haben wir in den letzten zwei Jahrhunderten den Bezug dazu verloren und haben sie auf Rente, Vorsorge und Vulnerabilität verkürzt. So modern wie die neueste Computertechnologie? Hmm, in gewisser Weise schon, denn als Älteste treten wir – dem Narr von Shakespeare in „King Lear“ nicht unähnlich – frech, frisch, und so wie wir gerade sind an die Öffentlichkeit und verstecken uns nicht davor, Verantwortung zu übernehmen. Beides sind doch eher moderne Verhaltensweisen. Älteste befriedigen Bedürfnisse, indem sie beispielsweise auf die Enkeltauglichkeit von Entwicklung achten, weil ihnen die Enkel:innen sehr am Herzen liegen. Und wie haben wir es mit der Verbundenheit? Ja, wenn wir die Bezüge zu fernen Zeiten schaffen, die jüngsten Entwicklungen in einer anderen Taktung begreifen, dann, ja dann schaffen Älteste auch Verbundenheit. Und dass wir global unterwegs sind: Klar doch – wir sind überall zu Gange. Und wie die Commons selbst sind Älteste in unseren Breitengraden auch beinahe unsichtbar.

Für Fürsorge sorgen – Ältestenschaft goes commoning

„Wer einzuschätzen weiß, was die Natur bewirken kann, und einzuschätzen weiß, was der Mensch bewirken kann, ist vollkommen. Wer einzuschätzen weiß, was die Natur bewirken kann, lebt mit der Natur; wer einzuschätzen weiß, was der Mensch bewirken kann, weiß damit, was sich wissen lässt, und nährt sein Wissen mit dem, was sich nicht wissen lässt.“

Was hier nach einem modernden Verständnis vom Wandel des Klimas hin zur Klimakatastrophe klingt, ist über 2000 Jahre alt, geschrieben von Zhuangzi, einem Ältesten der um 300 v.u.Z. in China lebte und der Fürsorge dieses textliche Gesicht lieh. Bei ihm drehte sich alles um das Nähren des Lebens und letztlich darum, in innerer Freiheit zu leben.

Ältere Menschen respektive Älteste verstehen auch, was Goethe sehr lapidar folgendermaßen festhielt: „Mein Werk ist ein Kollektivwesen, das den Namen Goethe trägt.“ Mit dem ruhigen Blick in die Vergangenheit zerfällt der Kampf und das Ringen um die individuelle Leistung, um das „Werk“ oder  verblassen die Spuren, die wir vermeintlich auf dieser Welt hinterlassen haben. Und da haben wir es wieder: Auf der Welt, nicht in der Welt. Verstehen wir uns in der Welt, sorgen wir uns um alle und jeden und werden vielleicht zu „Weisen“, wie es der eingangs erwähnte Zhuangzi schrieb:

„Der wahre Weise hinterlässt wie der Vogel keine Spuren“. Und vielleicht gelingt uns dann das, was Nelson Mandela sehr einfach in „Ich bin, weil wir sind“ gefasst hat.

Mehr zur Ältestenschaft gibt es hier nachzulesen.

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